Entstehung des Shagya-Arabers
Der Reinzucht Shagya-Araber ist heutzutage mit nur ca. 2000-3000 registrierte Individuen weltweit, eine nicht nur seltene, sondern auch relativ unbekannte Rasse. Dennoch blickt sie auf eine lange und stolze Tradition als Elitepferd der leichten Kavallerie, und als Galapferd der Palastgarde am habsburgischen Kaiserhof zurück.
Der Shagya ist "ein Jeep verkleidet als ein Lamborghini" genannt worden - eine einzigartige Kombination von Gebrauchseigenschaften im eleganten ´Design`. Eine Mischung von Qualitäten, welche man auf diesem Niveau sonst gerne nur bei ausgeprägten Spezialistrassen findet: Ausgesprochene Robustheit und Genügsamkeit bei höchstem Adel, leistungswilliges Temperament bei Vernunft und Regulierbarkeit, dressurgeeignetes Gangwerk und Springveranlagung, Schnelligkeit und Ausdauer, Versammlungsfähigkeit und Geländegängigkeit... Shagyas haben in jeder Reitsportdisziplin, von Dressur, Springen, Military bis zum Western- und Distanzreiten, sowie im Fahrsport, eigens dafür gezüchtete Spezialisten bis in die höchsten Klassen geschlagen - eine Leistung, die von keiner anderen Rasse vorgewiesen werden kann.
Der Shagya-Hengst "BAJAR" hatte so überragende Springanlagen, daß er selbst von deutschen Warmblutzüchtern eingesetzt wurde. Das gewinnreichste deutsche Militarypferd 1996 war "WHITE GIRL", eine "BAJAR"-Tochter. "AMOR" wurde nach Piber zu den Lipizzanern geholt. Der Wallach "HUNGARES" wurde 2006 Weltmeister im Distanzreiten, gegen die besten Vollblutaraber der Welt. Wenn man in Betracht zieht, wie klein die Rasse ist, ist es beeindruckend, wie oft der einzige Shagya-Hengst in einem Warmblutlot die HLP gewinnt (z. B. "KOYANO") - oder wie viele internationale Top-Pferde im Sport Shagya-Vorfahren im Pedigree haben. Unter den prominentesten Beispielen sind Weltstars wie "MILTON" und "RATINA Z" im Springen und "REMBRANDT" in der Dressur, und einflußreiche Zuchthengste wie "RAMZES AA" bei den Holsteinern oder "GOTTHARD" bei den Hannoveranern.
Weniger wettbewerbsinteressierte Reiter sind oft begeistert von der Gutmütigkeit und Gutartigkeit ihrer Shagyas, welche bei allem Leistungswillen geduldig auch kleine Kinder spazierentragen, im Festumzug gehen, oder dem therapeutischen Reiten dienen.
Dieses ´Allroundtalent auf höchster Ebene` ist sicher den rücksichtslosen Anforderungen der Kavallerie - für schwierige oder anfällige Pferde hatte man keine Zeit - und der überaus strengen Selektion der hochqualifizierten Gestütsleiter zu danken - zeitweise wurden bis zu 80 % eines Jahrgangs ausgemustert, und diese Pferde waren es, die legendär für ihre Härte und Leistungsfähigkeit im Felde wurden.
Das Zuchtziel:Ein Pferd mit allen Qualitäten des Vollblutarabers, welches diesen in Rahmen, Größe, Kaliber und Reiteignung beträchtlich übertrifft. Der Shagya-Araber soll das ideale Pferd sein auch für größere Reiter/ Fahrer, welche ein besonders elegantes und ausdauerndes Reitpferd mit natürlichem Vorwärtsdrang und Springtalent, oder ein Fahrpferd mit besonderer Ausstrahlung suchen.
Man wünscht sich die Pferde ausgesprochen schön und harmonisch, mit einem kleinen, ausdrucksvollen Kopf, großen, dunklen Augen und breiter Stirn, bei konkavem oder geradem Profil, breiten und freien Ganaschen, und großen, elastischen Nüstern. Sie sollen über einen wohlgeformten, mittellangen, gewölbten Reitpferdehals mit leichtem Genick und großer Ganaschenfreihet, eine große, schräge Schulter, einen deutlichen Widerrist, gute Sattellage, einen mittellangen, gut bemuskelten Rücken, tiefe Brust, und eine lange, leicht schräge Kruppe verfügen, bei elegant getragenem Schweif. Die natürliche Rittigkeit ist das wichtigste Kriterium. Der Adel soll unterstrichen werden durch eine trockene, feine Textur, und seidiges, feines Haar. Besonderer Wert wird auf korrekte, elastische, kadenzierte, aber gleichzeitig raumgreifende Bewegungen gelegt. In Temperament und Exterieur soll der Shagya allen Ansprüchen an ein leistungsfähiges Familien-, Freizeit-, Jagd-, Turnier-, Distanz- und Fahrpferd erfüllen. Der gute Charakter ist ein zentrales Kriterium, das Pferd soll ausgesprochen intelligent, wach, leistungswillig, freundlich und unkompliziert sein.
Die Widerristhöhe soll sich zwischen ca. 1, 50 - 1, 60 m bewegen; Hauptstammbuchstuten müssen 3-jährig mindestens 1, 50 m hoch sein, Hengste im Hengstbuch I mindestens 1, 54 m (VZAP, Deutschland). Beim Röhrbeinumfang verlangt man ein Mindestmaß von 18 cm. Ungefähr 80 % der Pferde sind Schimmel, der Rest Füchse, Braune und Rappen, Stichelhaare kommen vor.
Das Zuchtbuch ist geschlossen, d. h., es wird Reinzucht betrieben - nur die Nachkommen registrierter Shagya-Araber, welche sowohl auf väterlicher als auch auf mütterlicher Seite auf Pferde der Araberzucht Österreich-Ungarns zurückzuführen sind, und in Ausnahmefällen auf speziell ausgewählte Vollblutaraber-Hengste, und welche den Ansprüchen des Zuchtverbandes an Typ und Qualität genügen, können als Shagya-Araber eingetragen werden.
Vollblutaraber-Hengste können eingesetzt werden, um die genetische Basis der kleinen Population zu erweitern. Solche Hengste müssen von außergewöhnlicher Qualität sein, speziell für die Shagyas zugelassen werden, und die HLP ablegen, genauso wie Shagya-Araber und Warmbluthengste. Denn die Shagya-Zucht ist definiert als eine Zucht von Leistungspferden. Der Anteil von Vollblutarabern im Pedigree darf nicht größer sein als 9 von 16 Ahnen in der 4. Generation (seit 1990), wenn das Pferd als Reinzucht Shagya-Araber anerkannt werden soll.
"Shagya-Araber" heißt die Rasse erst seit 1978. Vorher sagte man "Araberrasse" - aus historischen Gründen, da die Rasse zu ihrer Zeit mit Hilfe ausgesuchter Originalaraber aufgebaut worden war.
Nur, der Shagya-Araber soll und sollte niemals ein reiner Araber sein - den gab es ja schon; und während man dessen Härte, Ausdauer und Intelligenz in der Kavallerie nicht missen wollte, wünschte man sich das Ganze kombiniert mit größerem Rahmen, mehr Kaliber, besserem Gangwerk und Springanlage, sowie vernünftigerem Temperament. Der Shagya muß also verstanden werden nicht als ein ´minderwertiger Araber`, sondern als die ´Antwort` auf die Schwächen des Originalarabers.
Der Shagya-Araber ist eine alte, eigenständige, durchgezüchtete Rasse geprägt vom arabischen Blut. Ein Araber ist ein Araber und ein Shagya-Araber ist ein Shagya-Araber. Schließlich ist die Rasse ja nur unwesentlich jünger als der Englische Vollblüter. Die ältesten registrierten Zuchttiere findet man bereits 1775 dokumentiert. Der Selektionsprozeß, welcher den Shagya-Araber hervorbrachte, war nicht nur einer der strengsten, sondern auch einer der durchdachtesten und am besten belegten in der Geschichte der Pferdezucht.Die Geschichte der Rasse begann damit, daß die Habsburger nach der Niederlage des Kaiserreiches im Krieg um die Österreichische Thronfolge, ein starkes Interesse daran äußerten, den Nachschub qualitätsvoller Kavallerieremonten in ausreichender Anzahl zu sichern. Der rechte Erfolg blieb aus, bis Kaiser Josef II. dem Vorschlag des erfahrenen Hippologen József Csekonics Gehör schenkte, ein staatliches Gestüt mit erstklassigem Zuchtmaterial zu gründen, um überlegene Produkte hervorzubringen. 1784 entschied der Kaiser, den Plan in die Tat umzusetzen, und das Gestüt Mezöhegyes (Ungarn) wurde gegründet.1869 wurde Bábolna, zusammen mit den anderen Staatsgestüten, der ungarischen Regierung übergeben. Unter einer zentralisierten Bürokratie mit kenntnisreichen Hippologen, blühte die Zucht auf. Eine strenge Selektion fand statt, man favorisierte "Shagyas" qualitätsvolle Söhne als Beschäler, da sie arabischen Adel zeigten, aber stärker waren als die Originalaraber. Die Pferde gewannen an Stärke und Tiefe. Man führte 12-monatige Leistungstests unter dem Reiter und vor dem Wagen für zukünftige Zuchtstuten ein.
1878 konnte Bábolna seinen ersten internationalen Erfolg feiern: Unter den 20 Pferden, welche die ungarischen Staatsgestüte zur Weltausstellung in Paris geschickt hatten, erweckten die 4 bábolnaer Vertreter der "Araberrasse" allgemeine Bewunderung. Der französische Präsident stiftete auf Betreiben der Jury eine extra Goldmedaille für die ungarischen Gestüte. Auch wenn der generelle Trend weiterhin zum starken Halbblut ging, blieb Bábolna dem arabischen Blut treu, nicht zuletzt da man ein sehr gefragtes Exportprodukt lieferte. Das leichte, rasche Fahrpferd ("Jucker") war weithin berühmt, das edle, agile Husarenpferd legendär und gefragt in der ganzen Welt, selbst in Pferdezuchtnationen wie Deutschland, England und Frankreich. Auch gab das arabische Blut größere Robustheit und Genügsamkeit, etwas, das für die Bauern wichtig war, die staatliche Hengste für ihre Stuten benutzten.
Auf der Pariser Weltausstellung 1900, waren die Araber aus Bábolna die erfolgreichsten unter 1717 Pferden. Sowohl eine Stute als auch ein Hengst der "Araberrasse" bewegte die Jury, ein extra Grand-Championat zu stiften. Die hohe Nachfrage nach dem "Idealpferd" blieb konstant in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, und in den 30er Jahren errangen die feurigen Fünfspänner weißer Shagya-Stuten, mit denen Tibor von Pettkó-Szandtner regelmäßig das Aachener Turnier gewann, internationale Berühmtheit.
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges mußte Bábolna evakuiert werden, um das Zuchtmaterial vor der Sowjetarmee zu retten. Nicht alle Pferde konnten reisen, und nur die, welche nach Bergstetten in Bayern gebracht wurden, überlebten und bildeten die Grundlage für den Wiederaufbau. Etwa 200 Zuchttiere und die Zuchtbücher waren gerettet, aber nun steuerten sozialistische Bürokraten das Gestüt, welche die Araberpferde als ´ökonomisch wertlos` ansahen. Wertvolles Zuchtmaterial wurde für Devisen in den Westen verkauft. Von 1962 an wurde Bábolna auf Araber spezialisiert, und bekam wieder Repräsentationsaufgaben, und man nahm Kontakt mit dem ägyptischen Staatsgestüt El Zahraa auf und erhielt 1968 den Hengst "Ibn Galal" und vier gute Stuten.
Als 1972 die WAHO gegründet wurde, war Bábolna eins der Mitglieder; aber die Organisation erkannte nur reine Vollblutaraber an. Glücklicherweise hatten viele gute "Araberrasse"-Pferde zu engagierten Privatzüchtern im Westen gefunden, und diese kämpften für die Anerkennung ihrer Rasse. 1978 erkannte die WAHO den "Pure Bred Shagya Arab" als eigenständige Rasse an. Man verstand bald, welchen Beitrag die einzigartigen Reiteigenschaften der Shagya-Araber zu den entstehenden Sportpferdezuchten leisten konnten.
1990, nach dem Zusammenbruch des Sozialismus, wurde die 1985 gestiftete ISG (Pure Bred Shagya-Arab Society International) nach Bábolna eingeladen, und das Gestüt wurde Mitglied. Mehrere deutsche und schweizerische Züchter verpachteten oder verkauften qualitätsvolle Pferde an das Gestüt, um den Wiederaufbau zu fördern - wie z. B. "Amor" von "Czardas", "Balaton" von "Gazal VII", "Shagya XXXIX-11" von "Shagya XXXIX-1", und "Saphir I" von "Shagya XXXIX-11". So kam das beste Blut der Rasse zum Schluß zurück an seinen Ursprungsort.
Es ist zu hoffen, daß diese einzigartige und so wertvolle Rasse auch weiterhin erhalten bleibt - um ihrer selbst willen, aber auch wegen ihres einzigartigen Potentials als Veredler vieler anderer Rassen.